Trauerbegleitung
Auch das Danach gut begleiten.
Geschrieben von Marianne und Christoph BevierTrauer als leiblicher, seelischer und spiritueller Weg
Trauer ist ein ganzheitliches Geschehen, weil Trauernde in ihrem ganzen Wesen und Sein vom Verlust betroffen sind und mit ihm umgehen und leben müssen. Der verstorbene Mensch fehlt im täglichen Zusammenleben, er fehlt in seinem körperlichen Sein. Umarmungen fehlen, das gemeinsame Essen, gemeinsame Spaziergänge, Telefonate, überhaupt der gemeinsame Alltag mit Liebe und Streit, Zusammensein und Auseinandersetzung. Das ist für viele Trauernde die schmerzvollste und härteste Dimension des Verlustes durch Tod. Seele und Geist können sich mit der Zeit auf den Verlust einstellen und sich neu orientieren, der Körper von Trauernden aber bleibt in Bezug auf den verstorbenen Menschen allein.
Deshalb ist Leiblichkeit in der Trauerbegleitung so wichtig. Es ist gut, wenn Trauernde sich in ihrer Leiblichkeit und in der Gemeinschaft spüren können. Wenn sie gemeinsam zur Bestattung fahren. Gemeinsam zum Grab gehen. Eine Umarmung wirkt tröstlich. Gemeinsames Kochen und Essen schenkt Trost. Sich gegenseitig zu besuchen, bringt Trost.
All dies ist in der Zeit von Corona nur noch sehr beschränkt möglich. Der Trauerweg ist unterbrochen und segmentiert in einzelne, miteinander gar nicht oder nur gering verbundene Abschnitte.
Beim Sterben im Krankenhaus kann die Familie nur teilweise oder überhaupt nicht am Kranken- und Sterbebett sein. Angehörige erzählen, dass sie ein Familienmitglied ins Krankenhaus gebracht haben und nicht mehr besuchen durften. Teilweise haben sie nicht einmal als Leichnam sehen dürfen. Familien durften nicht gemeinsam zum Besuch kommen, immer nur Einzelne und nur die nahen Angehörigen. Auch hier fiel und fällt das Gemeinschaftliche weg, die gemeinschaftliche Erfahrung am Sterbebett, die gemeinsame Erfahrung und die gemeinsame Erinnerung.
Im Trauern geht die Unmittelbarkeit verloren, das spontane Handeln, der spontane, alltägliche Trost. Immer muss reflektiert werden: Wie sind die gesetzlichen Bestimmungen? Besteht Ansteckungsgefahr? Die Angst und die Gefahr sind immer im Raum. Die Maske erschwert die gegenseitige Wahrnehmung.
Auch bei der Bestattung wirken Segmentierungen und Unterbrechungen. Trauerredner:innen und Pfarrer:innen haben oft keinen unmittelbaren Kontakt zu Trauernden. Trauergespräche finden nur telefonisch und mit einem Teil der Familie statt. Familien und Zugehörige können sich nach der Trauerfeier nicht gemeinsam treffen. Das verändert den Trost, die Erinnerung, das Trauern.
Die Zeit von Corona bewirkt, dass die Alltagsbegegnungen reduziert sind oder ganz wegfallen. Trauernde müssen selbst aktiv werden und zugleich ist Aktivität das, was ihnen oft am Schwersten fällt. Auch die Umwelt von Trauernden ist stärker verunsichert, wie sie den Kontakt gestalten kann.
Trauerbegleiter:innen haben die Herausforderung durch Corona angenommen und sind ihr kreativ und mit vielen tollen Ideen begegnet. Statt Begegnung im Trauercafé und -gruppen wurden Telefonkontakte entwickelt und online – Treffen angeboten. Digitale Formen des Ausdrucks von Trauer sind vermehrt entstanden und fanden Zuspruch. Gemeinsames Spazierengehen und Briefkontakt wurden wiederentdeckt. Besuche am Grab wurden angeboten und vieles andere mehr.
Für die neuen Wege sind uns besonders die Wahrnehmung von Trauer und Trauernden in der Gesellschaft, in Medien und Politik wichtig. Die Gesellschaft könnte sensibilisiert werden für die Themen von Sterben, Tod und Trauer und für die Notwendigkeit, dass Tod und Trauer als ganzheitlicher Prozess einen Raum in der Gesellschaft brauchen. Manche der neuen Formen der Trauerbegleitung werden bleiben. Auch kommt stärker ins Bewusstsein, dass die Themen von Sterben, Tod und Trauer sich neu stellen und es immer wieder andere, kreative Antworten braucht. Und die Erfahrung, wie unersetzlich Leiblichkeit und Gemeinschaft sind, bleibt zentral.